Die Grundlagen
der Kompressionstherapie

Ob zur Behandlung chronischer Wunden oder zur Entlastung gestauter Venen:
Die Kompressionstherapie ist aus der modernen Wundversorgung nicht mehr wegzudenken. In diesem Beitrag erklären wir, wie Kompression wirkt, wann sie angewendet wird und worauf Fachkräfte in der Praxis besonders achten sollten.

Inhaltsverzeichnis

1. Die Bedeutung der Kompression in der Wundversorgung

Die Kompressionstherapie ist eine bewährte und effektive Methode in der modernen Wundversorgung. Sie spielt eine zentrale Rolle bei der Behandlung chronischer Wunden und venöser Ulzera. Doch was genau ist die Kompressionstherapie, warum ist sie so wichtig und wie wird sie optimal angewendet? In diesem Blogbeitrag geben wir Ihnen einen umfassenden Überblick über die Kompressionstherapie in der Wundversorgung, erläutern verschiedene Techniken und zeigen anhand eines Beispiels die Wirksamkeit dieser Methode.

2. Was versteht man unter Kompressionstherapie?

Bei der Kompression in der Wundversorgung wird mit Hilfe elastischer Materialien Druck auf das betroffene Gewebe ausgeübt. Dieser Druck unterstützt den venösen Rückfluss und verhindert die Bildung von Ödemen. Kompressionsverbände und -strümpfe sind die bei dieser Therapie am häufigsten verwendeten Hilfsmittel.

3. Ziele der Kompressionstherapie im Überblick

  • Ödeme reduzieren
  • Venösen Rückfluss fördern
  • Überdehnte Gefäße entlasten
  • Wundheilung aktiv unterstützen
  • Rückfälle (Rezidive) vermeiden

Die Leitlinien empfehlen die Kompressionstherapie bei CVI, venösen Ulzera und zur Prophylaxe von Rezidiven mit höchstem Empfehlungsgrad.

4. Welche Materialien werden eingesetzt?

Je nach Patient:in, Wundstatus, Mobilität und Therapieziel kommen unterschiedliche Materialien zum Einsatz. Hier ein Überblick über die gängigen Kompressionstechniken:

1
Ansicht eines Kompressionsstrumpfs am Bein

4.1 Kompressionsstrümpfe

Anwendung: Bei Langzeittherapie und zur Rezidivprophylaxe
Vorteile: Alltagstauglich, in verschiedenen Druckklassen erhältlich

2
Pütter-Verband gewickelt am Bein

4.2 Pütter-Verband

Anwendung: In der Akutphase, besonders bei mobilen Patient:innen
Vorteile: Hoher Arbeitsdruck, gute Wirksamkeit bei aktiver Bewegung

3
Fischer-Verband gewickelt am Bein

4.3 Fischer-Verband

Anwendung: Bei weniger mobilen oder immobilen Patient:innen
Vorteile: Gleichmäßige Druckverteilung, hoher Tragekomfort

4
Kornährenverband gewickelt am Bein

4.4 Kornährenverband

Anwendung: Für individuelle Druckverteilung bei komplexer Anatomie
Vorteile: Flexible Anpassung, optimale Druckverteilung entlang des Beines

Medizinische Kompressionsstrümpfe werden in Druckklassen (Klasse I–IV gemäß RAL-Gütezeichen) eingeteilt. Die Auswahl erfolgt abhängig vom Krankheitsbild, dem Umfang der Ödeme und dem therapeutischen Ziel, wie in der Leitlinie empfohlen.

Kurzzugbinden (Dehnung < 100 %) und Langzugbinden (Dehnung > 100 %) haben unterschiedliche Eigenschaften hinsichtlich ihres Druckprofils: Kurzzugbinden sind besonders zur Aktivierung der Muskel-Venen-Pumpe geeignet, während Langzugbinden ihre Vorteile bei immobilen Patientinnen und Patienten ausspielen.

Bei der Materialwahl sind neben medizinischen Gründen auch die individuelle Mobilität (Ruhe- vs. Arbeitsdruck), die Patientenpräferenz und die Handhabung zu berücksichtigen.

5. Praxis-Tipp

„Nur richtig angelegte Kompression ist auch wirksam.“

Fehler beim Anlegen können die Therapie unwirksam machen oder sogar Schaden verursachen. Eine fachgerechte Anleitung und Schulung sind daher unerlässlich – auch für pflegende Angehörige.

In der S3-Leitlinie heißt es: „Der stärkste Druck soll distal, also knapp oberhalb des Sprunggelenks, anliegen und Richtung Knie/Oberschenkel abnehmen. So wird der Rückfluss optimal unterstützt und das Wiederauftreten von Ödemen vermieden.“

Häufige Fehler sind zu geringer Druck, ein ungleichmäßiges Anlegen (Falten, Einschneiden) oder ein ungeeignetes Material. Deshalb empfiehlt die Fachgesellschaft regelmäßige Schulungen – auch für das pflegende Umfeld.

6. Für wen ist Kompression geeignet?

Indikationen für die Kompressionstherapie:

  • Chronisch-venöse Insuffizienz (CVI)
  • Venöses Ulkus (Ulcus cruris venosum)
  • Lymphödeme
  • Postthrombotisches Syndrom
  • Schwere, müde Beine durch venöse Stauung

Laut Leitlinie und aktuellen Metaanalysen hat die Kompressionstherapie den höchsten Empfehlungsgrad für die Behandlung des Ulcus cruris venosum. Auch bei Lymphödemen und dem postthrombotischen Syndrom ist ihr Nutzen gut belegt.

Eine fachgerechte Anwendung ist entscheidend für den Therapieerfolg – auch im Zusammenspiel mit Pflege, Angehörigen und ärztlicher Leitung.

7. Wann darf Kompression nicht angewendet werden?

Trotz vieler Vorteile gibt es Kontraindikationen, bei denen Kompression kritisch sein kann. Diese sollten immer ärztlich abgeklärt werden:

  • Fortgeschrittene arterielle Verschlusskrankheit (pAVK)
  • Akute Thrombosen (je nach Stadium und Risiko)
  • Nicht behandelte Herzinsuffizienz (NYHA-Stadium III–IV)

Entsprechend der S3-Leitlinie gilt: Bei einer schweren arteriellen Verschlusskrankheit mit einem Knöchel-Arm-Index (ABI) von unter 0,5 ist eine Kompression kontraindiziert. Bei einem ABI zwischen 0,5 und 0,8 sollte eine individuelle ärztliche Abwägung und Überwachung erfolgen.

Weitere relative Kontraindikationen sind eine akute tiefe Beinvenenthrombose (je nach Stadium) sowie entzündliche Hauterkrankungen. Bei Unsicherheit sollte immer ärztlicher Rat eingeholt werden.

8. Fazit

Die Kompressionstherapie ist eine der tragenden Säulen der modernen Wundbehandlung. Sie kann die Heilung deutlich verbessern, sofern sie richtig angewendet wird.

Laut Leitlinie ist weniger das Material als die korrekte Anwendung entscheidend. Nur fachgerecht angelegte Kompression entfaltet ihre volle Wirkung. Regelmäßige Überprüfungen, strukturierte Schulungen und eine lückenlose Dokumentation sind laut Experten wie Prof. Raabe unverzichtbar für eine nachhaltige Therapie.

Für Pflegekräfte, Praxisteams und selbstständige Wundversorger:innen lohnt sich die Investition in entsprechende Schulungen.

  • fachliche Schulungen.
  • passende Materialien.
  • Strukturierte Abläufe und Dokumentation.

In der neuen S2k-Leitlinie (2024) wird die Bedeutung der evidenzbasierten und leitliniengerechten Kompressionstherapie für die Praxis und den Pflegealltag unterstrichen.

Denn nur korrekt durchgeführte Kompression wirkt und hilft den Patient:innen nachhaltig.

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Quellen:

  • Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). S3-Leitlinie: Medizinische Kompressionstherapie. Registernummer 037-005. AWMF, 2019. https://register.awmf.org/assets/guidelines/037-005l_S3k_Medizinische-Kompressionstherapie-MKS-PKV_2019-05_abgelaufen.pdf.
  • Reich-Schupke, S., et al. „Aktuelle Aspekte der Kompressionstherapie in der Phlebologie.“ Phlebologie 43, Nr. 4 (2014): 197–208. https://doi.org/10.1055/s-0034-1377964.
  • European Wound Management Association (EWMA). Zum Verständnis der Kompressionstherapie. Europäische Wundmanagement Gesellschaft, 2003. https://ewma.org/wp-content/uploads/2003/02/compression_GERMAN.pdf.
  • Raabe, Prof. Dr. med. [Vorname falls bekannt]. „Neue S2k-Leitlinie Kompressionstherapie – Interview.“ In: Medi.de, 2023/2024. https://www.medi.de/arzt/therapietipps/venentherapie/leitlinie-kompression/.